Sonntag, 24.01.2021

Coronavirus-Pandemie: mit einem Impfstoff wird alles gut … (?)

Die Zulassung erster Impfstoffe gegen SARS-CoV-2, die nach rigorosen internationalen wissenschaftlichen Standards entwickelt, geprüft und zugelassen worden sind, ist in Europa in dieser Woche (Stand 24.12.2020) erfolgt. Wann diese Impfstoffe dann an welchem Ort tatsächlich verfügbar sein werden, ist im Moment nicht ganz sicher abzuschätzen. Zwar ist eine erhebliche Zahl an Impfdosen bereits vom Hersteller produziert worden, allerdings wird eine annähernd ausreichende Menge wohl erst in der zweiten Jahreshälfte 2021 zur Verfügung stehen. Aufgrund komplizierter Stabilitätsmerkmale (Lagerung bei -70°C) müssen sie in einem komplizierten logistischen Prozess an zentrale Impfzentren verteilt werden, um von dort aus eingesetzt werden zu können. Schon jetzt ist abzusehen, dass selbst bei maximaler Anstrengung in den ersten Monaten nicht annähernd eine ausreichende Zahl von Impfdosen für die gesamte Bevölkerung zur Verfügung stehen wird.

Dazu bezieht Prof. Dr. Carsten Krüger, Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendliche am St. Franziskus Hospital Ahlen, Stellung: „Die Vorschläge der Bundesregierung, die Impfstoffe nach klaren Regeln zu verteilen, sind im Grundsatz sehr zu begrüßen. Hiermit wird bei knappem Impfstoffvorrat ein Höchstmaß an Verteilungsgerechtigkeit und Effektivität erreicht.“ Dabei folgt die Bundesregierung weitgehend den Empfehlungen und dem gemeinsamen Positionspapier der Ständigen Impfkommission (STIKO), des Deutschen Ethikrates und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Diese Institutionen raten dazu, zuerst die Risikogruppen, das Personal im Gesundheitswesen und Personen, die für die grundlegende Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens unentbehrlich sind, prioritär zu impfen.

Doch auch wenn Impfstoffe dann an zentralen Orten zur Verfügung stehen, stellen sich weitere wichtige Fragen. Wie werden sie insbesondere zu den Personen der Hochrisikogruppe, die oftmals nicht mobil sind, sondern in Altenheimen und Pflegeeinrichtungen oder zuhause leben, flächendeckend gelangen? Wie können diese Personen eine informierte Entscheidung treffen, ob sie sich impfen lassen wollen oder nicht? Daraus ergibt sich unmittelbar ein Dilemma, das bisher noch in keiner Weise in der Öffentlichkeit thematisiert worden ist. Es ist völlig unklar, wie mit Personen aus den genannten Zielgruppen umzugehen ist, die für sich eine Impfung ablehnen. Diese Problematik ist relevant, da nach jüngsten Umfragen weniger als 50% der Bevölkerung bereit ist, sich unverzüglich impfen zu lassen. Eine Impfpflicht wird aber bisher von der Politik und der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung (> 60%) in Deutschland abgelehnt.

Nochmal Prof. Krüger:„Wir können davon ausgehen, dass die in Deutschland und Europa zugelassenen Impfstoffe die notwendigen Kriterien von Wirksamkeit und Sicherheit erfüllen. Allerdings ist aufgrund der fehlenden Langzeitdaten nicht klar, wie lange ein Impfschutz anhalten wird.“ Die Studienergebnisse zeigen eine mehr als 95-prozentige Senkung des Erkrankungsrisikos. Ob die geimpften Personen das Virus dennoch übertragen können, ist im Moment nicht klar.

Somit ist nach aktueller Datenlage nicht vorhersagbar, welchen Einfluss die ersten Impfstoffe tatsächlich auf die Übertragungsdynamik des Virus haben werden. Daraus folgt für die Allgemeinbevölkerung, dass sie sich auch für die nächsten Monate, ggf. Jahre, auf erhebliche Einschränkungen ihres Alltagslebens einstellen muss. Dazu Prof. Krüger: „Nur wenn weitere Studienergebnisse und die klinische Erfahrung zeigen werden, dass durch Impfungen zumindest die Erkrankungshäufigkeit und -schwere deutlich verringert werden, können wir darauf hoffen, dass die SARS-CoV-2-Infektion erheblich an individualmedizinischer und gesundheitspolitischer Bedeutung verlieren wird.“