Freitag, 22.06.2018

Die natürliche Geburt ist ein menschliches Bedürfnis

Ein persönlicher Geburtsbericht der vierfachen Mutter Gantuul Sumpmann, die ihr viertes Kind nach drei Kaiserschnitten natürlich entbindet:

Besondere Geburten:

"Das ist ein zu hohes Geburtsrisiko! Natürlich müssen Sie per Re-Re-Re-Sectio entbinden! ", "Bei uns können Sie nur mit Kaiserschnitt entbinden!", "Nur wenn Sie jeden Tag in die Klinik kommen. Wir haben uns beraten und entbinden nur einen Kaiserschnitt!"...Diese Aussagen von Gynäkologen und Kliniken geben das hohe Geburtsrisiko treffend wieder, welches Gantuul Sumpmann bereit war zu tragen.

Warum trifft eine Mutter so eine Entscheidung, die bei Gynäkologen und auch Hebammen auf Unverständnis stößt?

Nach 3 Kaiserschnitten und vor allem nach misslungenen Geburtsversuchen sind die Chancen einer natürlichen Geburt gering. Auch die Risiken für Mutter und Kind steigen, so dass in der Regel ein Kaiserschnitt empfohlen wird. Und trotzdem konnte sie ihre innere Stimme laut und deutlich hören: "Du schaffst das. Vertrau dir!"

Gantuul Sumpmann ist 1,60 m und ihr Mann ist 1,96 m groß. Proportionen, die bei Schwangerschaftsuntersuchungen eine Rolle spielen können. Die erste Schwangerschaft von Gantuul Sumpmann wurde von einer Hebamme begleitet. Diese machte sich keine Sorgen um das Beckenverhältnis von Frau Sumpmann. Die Gynäkologen sahen eine mögliche Schwierigkeit, da die Proportionen des Babys möglicherweise für das Becken der Mutter nicht passen könnten. In allen Schwangerschaften hatte sie einen Schwangerschaftdiabetes.

Frau Sumpmann kommt ursprünglich aus der Mongolei. Ihre Mutter hat auch vier Kinder natürlich geboren. Deshalb ging sie vollkommen unbelastet in die erste Schwangerschaft. Als sich der erste Sohn kurz vor Schwangerschaftsende noch in der Beckenendlage befand, stand sie das erste Mal vor der Geburts-Entscheidung: Natürliche Geburt oder Kaiserschnitt? Gemeinsam mit ihrem Mann wollte sie kein Risiko eingehen und wurde  2010 das erste Mal per Kaiserschnitt entbunden.

Bei der zweiten Schwangerschaft wollte sie auf jeden Fall natürlich gebären. 2011 fuhr sie mit Wehen ins St. Franziskus-Hospital Ahlen und begann die natürliche Geburt. Sie bekam eine Rückenmarksbetäubung (PDA), da die Schmerzen für sie unerträglich waren. Plötzlich wurden die Herztöne schlechter. Die Ärzte rieten zum Kaiserschnitt und auch hier folgte Frau Sumpmann dem Rat und bekam ihren zweiten gesunden Sohn per Kaiserschnitt. Ihr war damals nicht klar, dass ein zweiter Kaiserschnitt bedeutete, dass die Entbindungsempfehlung für die nächste Geburt wieder ein Kaiserschnitt sein würde.

 

 

Somit stand Frau Sumpmann mit dem großen Wunsch, ihren 3. Sohn spontan zu entbinden, relativ alleine dar. Sie gab nicht auf und fand eine Klinik, die es ihr ermöglichte, die dritte Geburt natürlich zu starten. Der Muttermund war schon 6 Zentimeter geöffnet, doch das Baby drehte sich nicht ein. Die Geburt dauerte, die Wehen fühlten sich unerträglich schmerzhaft an. Immer wieder drängte die betreuende Ärztin auf einen Kaiserschnitt. Es kam der Punkt der Erschöpfung. Sie stimmte dem Kaiserschnitt zu und wurde von ihrem dritten gesunden Jungen entbunden.

Doch nach der Geburt folgte eine unerträgliche Traurigkeit, weil sie die natürliche Geburt nicht bis zum Ende durchgezogen hatte. Das Gefühl als Frau versagt zu haben, stellte sich ein. Doch die Worte des betreuenden Arztes während der Visite machten ihr Hoffnung und Mut für die nächste Schwangerschaft: "Wenn Sie noch mal natürlich gebären möchten, können Sie das gerne bei uns machen! Aber bitte warten Sie mindesten ein Jahr!" Als sie von ihrer 4. Schwangerschaft erfuhr, erinnerte sie sich an jene Worte.

Sie stellt sich Anfang der 30. Woche wieder in jener Klinik in Münster vor. Ihren Wunsch "natürlich zu entbinden" wollte man ihr zunächst erfüllen. Wichtig war dem Arzt vor allem die Größe des Kindes, die zu jenem Zeitpunkt unbedenklich erschien. In der 40. Woche stellte sich das Kind im Ultraschall allerdings als sehr groß dar. Zudem lag der Kopf nicht tief genug im Becken. Eine natürliche Geburt wurde daher nun wegen des Risikos abgelehnt - Bei der Beratung fielen auch drastische Sätze wie: "Wollen Sie, dass ihre Kinder ohne Mutter aufwachsen!".

Gantuul Sumpmann kannte das Risiko und fühlte sich schlecht. Denn ihre Intuition sagte ihr: "Du kannst es natürlich schaffen!" Bei der Ultraschalluntersuchung ließ sie ihre Narbe schallen und bekam ein gutes Ergebnis. Sie erinnerte wieder und wieder an das Versprechen "natürlich zu entbinden". Die Ärzte rieten ihr jedoch dringend zu einem möglichst sofortigen Kaiserschnitt, ließen Frau Sumpmann allerdings auf ihre Bitten noch einige Tage Zeit, jedoch mit der Auflage einer nahezu täglichen CTG-Kontrolle. "Es war so stressig, mit 3 Kindern den täglichen CTG-Besuch zu organisieren. Von Tag zu Tag wurde die Betreuung in der Klinik schwieriger. Das betreuende Personal wirkte auf mich gestresst und setzte mir zu. Es kam immer wieder die Frage, warum ich keinen Kaiserschnitt machte.", so Frau Sumpmann weiter.

Die werdende Mutter hält sich an die Tipps und Empfehlungen ihrer allerersten Hebamme und blieb bei ihrem Entschluss, natürlich zu entbinden. Zwar drehte sich das Kind, das sich in der 40. Woche vorübergehend in Schräglage befand, wieder in die richtige Position, doch den betreuenden Arzt überzeugte es nicht. Er wollte jedes Risiko vermeiden und riet mit seinem Team zum Kaiserschnitt.

"Mir war klar, das war es jetzt. Ich werde hier keine Chance mehr auf eine natürliche Geburt bekommen. Es klingt egoistisch. Aber ich war überzeugt, dass zur Not bei einer spontanen Geburt immer noch ein Kaiserschnitt gemacht werden kann.", so erklärt Frau Sumpmann ihren Geburtswunsch. Sie recherchierte nach Kliniken, die trotz mehrerer vorrausgeganger Kaiserschnitte natürliche Geburten zuließen, und stieß auf die im April stattgefundene Spontangeburt nach 3 Kaiserschnitten im St. Franziskus-Hospital Ahlen.

Die Wehen setzten Pfingstmontagabend ein. Eine Hoffnung flimmerte bei der Warendorferin auf. Zusammen mit ihrem Mann fuhr sie ins St. Franziskus-Hospital Ahlen. "Es war von Anfang an eine wohltuende Atmosphäre!", so empfand Frau Sumpmann die Stimmung im Kreißsaal, den sie schon von den ersten beiden Geburten kannte.

Die Hebamme Astrid Wendt berät sich mit dem behandelnden Gynäkologen. Er rät aufgrund des Gewichtes und der Vorgeschichte zum Kaiserschnitt. Nach eingehender Untersuchung, dem unfassbar großen Wunsch zur natürlichen Geburt, gab er unter strenger Beobachtung, der Bitte nach. Mittlerweile übernahm die zweite Hebamme Karin Brogowski die Betreuung von Frau Sumpmann.  Der Muttermund öffnete sich, die Fruchtblase platzte. Frau Sumpmann hielt nun die Wehen kaum aus und ließ sich eine PDA legen.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich bewusst viel bewegt und hatte mit ihrem Mann sogar einen langen Spaziergang durch den Park am St. Franziskus-Hospital unternommen.  Das Kind blieb unter der Geburt entspannt. Zum Ende der Geburt ist Frau Sumpmann erschöpft. Die Presswehen waren für sie fast unerträglich. Die 3. Hebamme, Honorata Losch, die inzwischen die Betreuung übernommen hatte, motivierte sie und machte schließlich die Wärmelampe fürs kommende Baby an. "Als mein Sohn endlich auf meinem Bauch lag, war es wie ein Traum. Es war eines der schönsten Gefühle. So eine große Erleichterung. Ich konnte es zuerst nicht glauben. Der ganze Schmerz war weg!", beschreibt Frau Sumpmann die Geburt. Die Frage, ob sie stolz auf sich ist beantwortet sie so:

"Nein, ich habe es für mein Kind gemacht. Die natürliche Geburt ist etwas Menschliches, Natürliches und Gesundes. Ich war davon überzeugt, dass die moderne Medizin mir im Notfall immer hätte Hilfe leisten können. Ich wünschte, mehr Kliniken würden den Bedürfnissen der Frauen eine Chance geben."

Leon Sumpmann wurde am 22. Mai 2018, um 14.53 Uhr, mit 4210 Gramm und 58 Zentimetern, im St. Franziskus-Hospital Ahlen gesund geboren.