Sonntag, 02.12.2018

„Die Pflegefänger von Ahlen“ – Protestzug gegen Pflegenotstand

Mitarbeiter des St. Franziskus-Hospital Ahlen machten sich an diesem Wochenende zu einer außergewöhnlichen Aktion auf den Weg nach Münster. Am Samstag (01.12.18) traf sich die gemischte Menschenmenge aus Krankenhausmitarbeitern aller Professionen und Bürgern an der Ahlener Klinik und marschierte zu Fuß in Richtung Münster.

Ziel des Protestzuges war es, auf die immer schwierigeren Arbeitsbedingungen in der Krankenpflege aufmerksam zu machen. Neben den Pflegekräften reihten sich auch der Pflegedirektor, der Leiter der Krankenpflegeschule, die Chefärzte, die Krankenhausleitung und der Bürgermeister Dr. Alexander Berger ein und unterstützten die Aktion.

"So will keiner mehr pflegen und so will auch keiner mehr gepflegt werden"

"Die Situation in der Krankenpflege hat sich in den letzten Jahren bundesweit so verschärft, dass wir leider feststellen müssen: So will keiner mehr pflegen und so will auch keiner mehr gepflegt werden", erläutert Karin Hündling, Gesundheits- und Krankenpflegerin und eine der Initiatorinnen des Projektes. Die Gründe hierfür sind vielfältig und kaum durch die Krankenhausträger zu beeinflussen. "Die Politik hinkt dem demographischen Wandel hinterher. Immer mehr Älteren stehen immer weniger Jüngere gegenüber. Zudem steigt die Lebenserwartung und die Medizin wird immer leistungsfähiger und aufwändiger," erklärt Winfried Mertens, Verwaltungsdirektor der Klinik. Der Pflegedirektor Werner Messink ergänzt: "Die Pflege wird durch den Gesetzgeber in der Krankenhausfinanzierung nicht adäquat berücksichtigt. Es ist dringend mehr Geld nötig, um den Beruf wieder attraktiver zu machen. Frustrierend ist für meine Mitarbeiter aber vor allem die ständige Überlastung, zu wissen das man die Patienten besser versorgen könnte, häufig dazu aber die Zeit fehlt."

In Ahlen kann man etwas bewegen

Die Idee nach Münster zu gehen war kein Zufall. In den größeren Städten ist der Pflegenotstand geringer, weil die Lebensverhältnisse dort für junge Menschen attraktiver erscheinen. "In Ahlen kann man etwas bewegen, das möchten wir mit unserem Protestzug zeigen. Hier gehen alle zusammen auf die Straße und stehen für den anderen ein!", so Irene Aulbur, Intensiv- und Anästhesiefachpflege-kraft. Auch Dirk Siedenhans, Leiter der Krankenpflegeschule in Ahlen, unterstützt die Aktion mit den Füßen und ist beeindruckt von dem solidarischen Projekt: "Seit vielen Jahren ist zu beobachten, dass immer weniger Menschen den Pflegeberuf ergreifen wollen. Wer es trotzdem tut, ist oft nach wenigen Jahren im Beruf frustriert. Das ganze Berufsbild sollte grundlegend reformiert und aufgewertet werden. Hier ist die Politik gefragt."

Bei jedem Wetter

Der Zug startete am Samstag von Ahlen aus und kam bei strahlendem Sonnenschein am geplanten Etappenort Albersloh um 17:30 Uhr an. Im Gasthof Restaurant/Hotel Gerschmann in Albersloh ließ man den Tag ausklingen. Am Sonntag trotzte die Gruppe dem Regen und ging unbeirrt Richtung Münster weiter. "Die 54 Kilometer haben sich gelohnt!", fasste Dr. Frank Klammer, Ärztlicher Direktor, die Stimmung zusammen. "Wir haben zwar keine 600 Bewerber akquirieren können, aber das haben wir auch nicht erwartet. Es ging über eine Wandertour hinaus. Man könnte es als eine Art Workshop des Krankenhauses beschreiben. Wir haben viele Impulse bekommen, wie wir zukünftig gemeinsam den Pflegenotstand angehen werden. Wir wollen auch in Zukunft Medizin auf höchstem Niveau für die Bürgerinnen der Region anbieten, das geht nur mit exzellenter Pflege, die das Rückgrat jeder Klinik ist."

Erschöpft und durchnässt, aber in guter Stimmung, erreichte der Protestzug schließlich um 14:30 Uhr das Bootshaus in Münster Handorf und feierte die Aktion mit Grill und Würstchen. "Wir haben viele Eindrücke bekommen. Das waren zwei großartige Tage für unsere Sache und ein schöner Anlass nochmal enger zusammenzurücken," freute sich Kevin Aebischer, Bereichsleiter der Pflege in der Chirurgie, über die gelungene Aktion "Pflegefänger von Ahlen".