Donnerstag, 26.04.2018

„Ich wollte die Geburt erleben!“ Spontangeburt nach 3 Kaiserschnitten, ein besonderes Geburtserlebnis im St. Franziskus-Hospital Ahlen

Diese Geburt hat absoluten Seltenheitswert im St. Franziskus-Hospital Ahlen, erklärt das Mediziner-Team der Geburtshilfe. Chefarzt der Frauenklinik Dr. Dr. med. Markus Gantert freut sich über die exzellente Arbeit seines Teams.

v. l. Oberarzt Kai Reineke, Mutter Luise Schönbeck-Fiebig mit Tochter Johanna, Hebammenschülerin Franziska Klemm, Priv.-Doz. Dr. Arrigo Fruscalzo, Hebamme Alexandra Weber, Assistenzärztin Marwa Elgendi

v. l. Oberarzt Kai Reineke, Mutter Luise Schönbeck-Fiebig mit Tochter Johanna, Hebammenschülerin Franziska Klemm, Priv.-Doz. Dr. Arrigo Fruscalzo, Hebamme Alexandra Weber, Assistenzärztin Marwa Elgendi

"Mein Wunsch ist wahr geworden!", strahlt die mutige 28-jährige frisch gebackene vierfach Mutter Luise Schönbeck-Fiebig. Auf ihrem Arm schlummert Johanna Helene Schönbeck friedlich vor sich. Sie ist am Samstag, 21. April 2018, mit einem Geburtsgewicht von 4450 g und 57 cm Länge geboren worden.

Nach 3 Kaiserschnitten spontan zu entbinden ist mehr als außergewöhnlich. Frauenärzte raten schon nach dem 2. Kaiserschnitt von der Spontangeburt üblicherweise ab. Zu hoch seien die Geburtsrisiken, wie z.B. ein Gebärmutterriss unterhalb der Geburt mit möglichen schwerwiegenden Komplikationen für die Frau und das Kind.

"Schon bei meinem ersten Kind hätte ich mir eine normale Geburt gewünscht", erzählt Luise Schönbeck-Fiebig. Durch einen Geburtsstillstand wurde 2007 ihr Sohn Pascal per Kaiserschnitt entbunden. Von der Geburt hatte Sie nicht viel mitbekommen. Durch die Vollnarkose fehlte das Geburtserlebnis.

 

(Luise Schönbeck-Fiebig mit Johanna Helene)

Die 2. Schwangerschaft genoss sie bis zur 35. Woche, dann kamen die schlechten Nachrichten vom Frauenarzt: Ihr zweiter Sohn war nicht mehr gut versorgt. Zwei Wochen später wurde erneut ein Kaiserschnitt durchgeführt. Vorweg ließ sie sich auch in Ahlen beraten, wo man ihr damals schon angeboten hat, bis zur 40. Woche zu warten und dann aufgrund der Diagnose einzuleiten. Sie entschied sich für die andere Klinik. "Man hat einfach Angst ums Kind", so Luise Schönbeck-Fiebig. "Mir war da nicht bewusst, dass ich mich mit dem 2. Kaiserschnitt für die nächsten Geburten festlege. Das sagt einem keiner, dass nach einer zweiten Sectio nicht mehr zur Spontangeburt geraten wird. Ich hätte mir da viel mehr Aufklärung gewünscht. Dann hätte ich eine begleitete, normale Geburt vorgezogen."

Zwei Jahre später wurde sie zum 3. Mal schwanger. Ganz fest nahm sie sich vor, eine normale Geburt anzustreben. Sie suchte sich eine Hebamme, die auch Hausgeburten betreut. "Es war eine bewusste und entspannte Schwangerschaft!", so schwärmt Luise Schönbeck-Fiebig. Begleitet von ihrer Hebamme ging sie ganz locker über die 40. Woche und begann die Geburt zu Hause. Doch es kam wieder zum Geburtsstillstand. Um Mutter und Kind nicht zu gefährden, wurde schließlich erneut ein Kaiserschnitt durchgeführt. "Mich hat es so traurig gemacht, dass es wieder nicht sein sollte!" Die Tränen rollten auch noch einige Monate später über ihr Gesicht, wenn sie an die 3. Sectio zurückdachte. Durch ihre abgebrochenen Geburten und Kaiserschnitte hatte sie das Gefühl als Frau versagt zu haben.

"Frauen fühlen sich in einer solchen Situation oft alleine gelassen und nicht ernst genommen", erklärt Priv.-Doz. Dr. Arrigo Fruscalzo, leitender Oberarzt der Geburtshilfe des St. Franziskus-Hospitals. "In ihrer Not versuchte sie die 3. Geburt als Hausgeburt, wobei die Risiken für die Frau und das Kind dabei weitaus größer sind, falls eine Komplikation auftreten sollte. Das passierte, weil ihr möglicherweise keine Alternative in einer Klinik angeboten wurde. Eine begleitete Geburt im Krankenhaus wäre unter diesen Umständen deutlich sicherer gewesen."

Umso schöner waren die Nachrichten im Herbst 2017. Schönbeck-Fiebig bringt ein Souvenir aus dem Urlaub mit - die 4. Schwangerschaft. Das wird kein Kaiserschnitt! Das ist Luise Schönbeck-Fiebig von Anfang an klar.

Aus Sorge vor Komplikationen und gemäß den geltenden Empfehlungen rät ihr Frauenarzt von dem Versuch einer Spontanentbindung ab.

Die Vierfach-Mutter sucht Hilfe in Internetforen. Sie tauscht sich mit Müttern über ihre Geburtserfahrungen aus, die dasselbe Schicksal teilen. Sie wächst mit der Gemeinschaft. Während dieser Zeit entwickelt sie Mut zu ihrem inneren Wunsch und Bedürfnis zu stehen, endlich spontan zu entbinden.

"Es ist ein Auf und Ab in der Schwangerschaft. Man wägt den Wunsch nach der Spontangeburt ständig gegen die Angst, das Gesundheitsrisiko für das Kind und die Verantwortung für die Geschwister ab", so Frau Schönbeck-Fiebig weiter. Sie wollte endlich eine natürliche Geburt erleben. Der Ehemann begleitet sie tapfer mit. Dennoch steht die werdende Vierfach-Mutter oft alleine mit dieser Entscheidung und ihrem inneren Wunsch spontan zu entbinden.

"Wie würde ich es merken, wenn ich reiße? Was passiert, wenn es schief geht?", diese Fragen hat sie sich oft gestellt. "Das habe ich mich noch unter den Wehen gefragt."

Frau Schönbeck-Fiebig wird schließlich telefonisch durch einen anderen Gynäkologen darin bestärkt eine Spontanentbindung zu versuchen. Die anvisierte Geburtsklinik wäre relativ weit von Ahlen entfernt und beim Einsetzen des Geburtsbeginns schwieriger zu erreichen.

Am selben Tag ruft sie in der Gynäkologie des St. Franziskus-Hospitals Ahlen an. Oberarzt Kai Reineke ist der erste Kontakt. Er lädt die Mutter zur Sprechstunde ein. Nur 500 m Luftlinie ist die Ahlener Klinik von ihrem Haus entfernt. "Das ist optimal, denn bis zu einer anderen Klinik wäre es deutlich weiter und damit auch ein höheres Risiko bei der Spontan-Entbindung", so Priv.-Doz. Dr. Arrigo Fruscalzo.

 

(Luise Schönbeck-Fiebig, Priv.-Doz. Dr. Arrigo Fruscalzo)

Am Tag der Geburt wird eine Eipol-Lösung durchgeführt, diese wirkt bei ihr wehenfördernd. Dabei wird die Membran, die Ihr Baby umgibt, vorsichtig vom Muttermund gelöst. Erfolgreich. Die Geburt beginnt gegen Mittag.

Perfekte Betreuung gab es von zwei Hebammen des Ahlener Krankenhauses während der Geburt. Karin Brogowski beginnt und unterstützt mit Ihrer Ruhe, macht Mut. Später übernimmt Julia Hille die Geburt. "Ich wollte noch eine Runde spazieren gehen, doch dann habe ich gemerkt: Jetzt geht es los!", berichtet Frau Schönbeck-Fiebig. Unter der Geburt kommt langsam das Köpfchen von Johanna Helene zum Vorschein. Die Presswehen merkt Schönbeck-Fiebig kaum: "Es hat gefühlt lange gedauert! Vor lauter Ungeduld habe ich mir eine Saugglocke gewünscht, aber dann hat es einfach geklappt! Den Dammriss habe ich gar nicht gemerkt. Ich war einfach so aufgeregt. Es war ein besonderes Geburtserlebnis. Mein Mann war da. Meine Mutter hat mich begleitet. Es war für mich großartig, nicht vergleichbar mit dem Kaiserschnitt. Definitiv hat das Glücksgefühl überwogen. Die Beste Endscheidung die ich getroffen habe."

 

"Das habe ich in meinen Berufsjahren vorher noch nie erlebt, dass jemand nach 3 Sectiones spontan entbindet. Das ist selten", so Priv.-Doz. Dr. Arrigo Fruscalzo, "Meistens ist der Wille der Frau nicht stark genug. Die Frau muss ein starkes Selbstbewusstsein haben. Die Bedürfnisse der Frau möchten wir natürlich hier unterstützen. Die natürliche Geburt ist ein menschliches Bedürfnis. Allerdings muss das auch medizinisch begleitbar sein. Klar war die Empfehlung, um Risiken zu minimieren, den Kaiserschnitt zu wiederholen, aber man muss auch den guten Befund werten. Ich habe es nicht für unmöglich gehalten, deshalb habe ich Frau Schönebeck-Fiebig unterstützt. Es muss eine Alternative für die Frau geben. Man muss auch Alternativen anbieten, wenn der Weg kompliziert ist oder unseren Vorstellungen widerstrebt. Das Geburtshilfeteam des St. Franziskus-Hospitals Ahlen hat ihr eine Überwachung angeboten und sie mit natürlichen Einleitungsmethoden unterstützt. Jede Frau hat hier die Möglichkeit der Selbstbestimmung in der Geburt, solange es medizinisch vertretbar ist."

Die Frage, warum sie spontan entbinden wollte, beantwortet sie so: "Ich wollte die Geburt erleben!" Oberarzt Reineke, der während der Geburt Dienst hatte, erläutert: "Die Kopfeinstellung der Frau und der Befund passten. Ansonsten wären die Risiken zu groß gewesen. Zur Not hätten wir sofort eingreifen können."

Nach der Geburt verbreitete sich die frohe Kunde schnell im gesamten Team der Geburtshilfe:

Johanna Helene Schönbeck ist spontan geboren!