Sonntag, 24.01.2021

Warum wir uns alle gegen SARS-CoV-2 impfen lassen sollten

Aus drei Gründen, die sich gegenseitig ergänzen können, werden Impfungen durchgeführt:zum eigenen Schutz vor einer Infektionskrankheit (Individualschutz), zum Schutz der Mitmenschen vor dieser Erkrankung (Populationsschutz bzw. Herdenimmunität) und mit dem Ziel, die Krankheit komplett auszurotten (Eradikation). Letzteres kann nur gelingen, wenn der Erreger allein innerhalb der menschlichen Population übertragen wird, wie z.B. bei den Pocken, die bisher die einzige Krankheit in der Menschheitsgeschichte sind, bei denen dies gelungen ist. Prof. Dr. Carsten Krüger, Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendliche am St. Franziskus Hospital Ahlen, führt dazu aus: „Für den Erreger SARS-CoV-2 trifft diese Voraussetzung allerdings nicht zu, da das Virus u.a. ein tierisches Reservoir besitzt und so außerhalb der menschlichen Population zirkulieren kann.“

Mittlerweile sind mehrere Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 in Industriestaaten zugelassen. Trotz der raschen Entwicklung dieser Impfstoffe in der jetzigen Pandemiesituation sind zumindest im Bereich der EU die gleichen Zulassungskriterien bezüglich Sicherheit und Wirksamkeit eingehalten worden, wie es in früheren Jahren der Fall gewesen ist. Wie dies in einer erstaunlich kurzen Zeitspanne möglich ist, kann auf den Informationsseiten des RKI zum COVID 19-Impfstoff nachgelesen werden: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/COVID-19/COVID-19.html . Ähnliche Informationen stellt das Bundesministerium für Gesundheit zur Verfügung: https://www.zusammengegencorona.de/impfen .

Weitere grundlegende Bedingungen müssen aber erfüllt sein, um allen Bürgern eine Impfung in einer Pandemie dringend zu empfehlen. Die Krankheit, gegen deren Erreger geimpft werden soll, muss entweder extrem gefährlich sein, d.h. eine hohe Sterblichkeit aufweisen, wie z.B. bei Ebola oder den besagten Pocken, oder sich extrem schnell ausbreiten können, so dass selbst bei relativ niedriger Sterblichkeit in kurzer Zeit sehr viele Todesfälle auftreten können, wie jetzt bei der SARS-CoV-2-Pandemie. Im schlimmsten Fall vereint sich eine hohe Sterblichkeit mit einer raschen Ausbreitung, wie z.B. bei den Pest-Pandemien im Mittelalter.

Außerdem muss mindestens ein hohes Maß an Individualschutz bei einer vertretbaren Rate an eher milden Nebenwirkungen zu erwarten sein. Das Erkrankungs- und Sterberisiko durch die Infektion mit dem Erreger ist dann deutlich höher, als die Risiken der Impfung zu bewerten sind. Dazu Prof. Krüger: „Dies trifft nach derzeitigem Kenntnisstand für den ersten in der EU zugelassenen Impfstoff mit einer Schutzrate um 95% zu (https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2034577). Auch die Nebenwirkungsrate und Art der Beschwerden unterscheiden sich nicht von denen anderer Impfstoffe.“

Bei den jetzigen SARS-CoV-2-Impfstoffen ist durch die bisherigen Studiendaten nicht eindeutig belegt, ob sie nur dem Eigenschutz dienen (Verringerung der Erkrankungsschwere) oder auch die Übertragung auf andere Personen verhindern können (Fremdschutz). Im ersten Fall müssten deutlich mehr Menschen als die angestrebten 60-70% der Bevölkerung geimpft werden, da ansonsten immer noch sehr viele Menschen gleichzeitig infiziert sein und die Infektion an nicht Geimpfte übertragen könnten, die dann schwer erkranken oder versterben könnten. Eine ausreichende Herdenimmunität wäre somit erst bei deutlich höheren Impfraten (> 75-80%) aufgebaut.

In diesem Zusammenhang stimmen jüngste Umfrageergebnisse des Meinungsforschungsinstituts YouGov nachdenklich, die zeigen, dass sich nur ca. ein Drittel der Bevölkerung rasch impfen lassen will, ein weiteres Drittel ist prinzipiell bereit, will aber erst einmal abwarten. Ähnliche, tendenziell noch niedrigere Zustimmungsraten finden sich in der COSMO-Studie der Universität Erfurt (https://projekte.uni-erfurt.de/cosmo2020/web/topic/impfung/20-fokuserhebung/). Prof. Krüger weist auf ein besorgniserregendes Detail dieser Umfragen hin: „Die Impfbereitschaft unter medizinischem Personal liegt noch niedriger, was angesichts der Erfahrungen dieser Personengruppe im Umgang mit COVID-19-Patienten kaum nachvollziehbar erscheint.“

Daraus folgt, dass sich insbesondere die Hochaltrigen und Menschen mit Risikofaktoren so rasch wie möglich ohne Ausnahme impfen lassen sollten, da bei ihnen das Erkrankungs- und Sterberisiko am höchsten ist. Ebenso sollte sich das Personal im Gesundheits- und Pflegebereich mindestens aus moralischer Sicht gegenüber ihren Patienten/-innen, aber auch aus Überlegungen zum Eigen- und Fremdschutz verpflichtet fühlen, sich flächendeckend impfen zu lassen. Damit würde diese Personengruppe ihrem professionellen Auftrag nachkommen und könnte als Vorbild für die Allgemeinbevölkerung dienen. Es ist zu hoffen, dass dann auch die häufig in sozialen Medien kursierenden, jedoch wissenschaftlich unbegründeten Gerüchte über Nebenwirkungen der Impfung an Einfluss verlieren werden.